Grenze Türkei/Iran - Teheran / 24.4. - 1.5.2004

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Wir glaubten uns noch in der Türkei und standen dann am Samstag, 24. April, unvermittelt vor einem Gittertor, dass irgendwann für uns zur Seite geschoben wurde. Der weisse Halbmond auf Rot war der grün-weiss-roten Flagge der Islamischen Republik Iran gewichen. Der Empfang war äusserst korrekt und höflich und unglaublich speditiv. In nur gut 45 Minuten waren alle Formalitäten erledigt. Weder wurde nach Devisen noch nach elektronischen Geräten gefragt, man wollte lediglich eine Bestätigung, dass wir keinen Alkohol mit uns führten.

Ich hatte mich in meine beste Vermummung gestürzt: Kopftuch und langärmliges, bodenlanges und dunkles Hemdkleid. Auf den Besuch des Iran hatte ich mich aus prinzipiellen Gründen nicht speziell gefreut, und in den ersten zwei Tagen kam ich mich furchtbar fehl am Platze vor. Inzwischen trage ich eine "light" Version, nur noch dunkle lange Hosen, einen schwarzen halblangen Blazer und das obligate Kopftuch.

Wir sind neugierig, wie sich das Land heute präsentiert. Und es scheint alles beim Alten geblieben zu sein - nur dass seit unserem ersten Besuch fast 30 Jahre verflossen sind.

Ein Ort kündigt sich zuerst durch die Versorgungs-Zone an: links und rechts der Strasse Werkstätten und kleine Läden, die Gebäude meist einstöckig aus Backsteinen der lokalen Erde. Ein Auto, sofern man überhaupt eines vermag, ist hier sehr wichtig wird noch und noch repariert - notfalls auch mit für uns mittelalterlichen oder brachialen Methoden. Längere Distanzen über Land reisen die Leute mit recht modernen Reisecars. Lokal herrscht der Transport mit Sammel-Taxis vor, die ständig den rechten Fahrstreifen belegen, ohne Ankündigung halten, Leute aus- oder einladen, und wieder rausschwenken. Jede Kleinstadt, die auch sich hält, hat im Zentrum eine richtungsgetrennte Avenue, einen begrünten und bewässerten Mittelstreifen, und je nach Länge Kreisel mit imposanten Monumenten. Transporte erfordern hier nicht so viele Fuhren wie bei uns. Es scheint weder maximale Ladehöhe nochn Gewichts- oder Personen-Limiten zu geben. Die Lastwagen, speziell in ländlichen Gegenden, stammen aus einer anderen Generation, alte Macks und Peterbuilts, zum Teil noch GMC aus Zeiten des zweiten Weltkriegs. An "neueren" Modellen sieht man von Scania, Volvo und Mercedes.

Via Maku nach Marand rollten wir durch Felder, sofern Wasserläufe vorhanden, oder trockene Weiden mit Schafherden.

Täbriz dann ist eine 1,5 Mio.-Stadt, da - ohne Hochhäuser - von stattlichem Ausmass. Aber wir finden schliesslich das Zentrum. Diese Stadt war eine Hochburg der Taliman und noch heute sind die Frauen alle komplett mit schwarzen Tüchern verhüllt. Man wandelt beim Durchstreifen des Basars und der Einkaufsstrassen wie in Krähenschwärmen. Mein Tenue ist für hier nicht ganz "comme-il-faut", wird oft amüsiert, aber tolerant belächelt. Geldwechsel wird auf der Strasse abgewickelt - jedermann schaut zu. Aber selbst mit Geld im Sack oder Kamera in der Tasche tritt einem nie jemand zu nahe oder hat klebrige Finger.

Kandovan sollte man besuchen - vorausgesetzt man bemerkt oder wählt die richtige, in Farsi arabisch beschriftete Abzweigung. Wir landen erst in einer Sackgasse, aber auch einem "pittoreque" Bergdorf. Für uns allerdings nur zum Anschauen, nicht zum da zu leben! Man glaubt sich im Mittelalter, wenn man durch die Gassen im aufgewühlten Dreck spaziert und Blicke in die Häuser werfen kann. Die Leute sind reserviert aber freundlich. Man grüsst mit "salam" und tuschelt und wundert sich, was wir da suchen. Die Frauen sind hier weniger streng verhüllt, Kunststück bei der harten Feld- und Haus-Arbeit. Sie darf man nicht fotografieren, wohl aber ihre Kinder. Ein Blick auf den kleinen Monitor mit der entsprechenden Aufnahme als Danke ist immer ein grosses Gaudi für sie.

Der Alltag im richtigen Kandovan scheint, obwohl der Ort in allen Reiseführern angepriesen und von vielen auch inländischen Reisenden besucht, vom Tourismus kaum berührt. In den Höhlen des Tuffsteins und den aufgeschichteten Steinbauten wird gelebt wie einst. Für das warme Fladenbrot will der Bäcker, vor dessen Ofen die Frauen anstehen - eher zum Zeitvertreib und Schwatzen als zum Warten - von uns kein Geld annehmen sondern freut sich, dass es uns so gut schmeckt.

Nach dem Abstecher umfahren wir Täbriz auf der Weiterreise, müssen aber bald feststellen, dass Wasser aufzufüllen es ein vergleichbar Leichtes war gegenüber Diesel zu tanken. Wir müssen nochmals zurückfahren, und erst die dritte Tankstelle nach zig Kilometern führt Diesel und nicht nur Benzin. Fredy hat die Spendierhosen an und überlässt dem Tankwart beim unglaublich günstigen Literpreis Rial 70'000.-, um später herauszufinden, dass ein Liter Diesel zehmal weniger, nur R.165.-, also umgerechnet 2 Rappen!! kostet.

Zwischen Sarab und Nir übernachten wir einmal mehr im Niemandsland neben einer Pipeline zwischen Schafen und Ziegen. Die Einwohner von Ardabil, eines kleinen Landstädtchen, erstaunen uns. Immer wieder werden wir willkommen geheissen. Milch und Eier, die wir einkaufen, sind vom Inhaber des kleinen Geschäftchen spendiert - dies abzulehnen, obwohl fast peinlich, wäre eine Beleidigung. Wir besuchen das Mausoleum des Gründer des Safawiye-Ordens, Scheich Sadi af-Din, gleichzeitig mit einigen Schulklassen. Wir sind immer eine willkommene Abwechslung und Belustigung für sie. Die Schülerinnen hier sind nur noch etwa zwei Drittel streng schicklich verhüllt, zeigen immer öfters geschminkte Gesichter, Mêches in den Haaren, modische Kleidung und freuen sich über jeden Kontakt.
Auf eine Distanz von gut 10 km überwinden wir in unzähligen Kurven auf gut ausgebauter Strasse die Höhen-Differenz und kommen am Dienstag-Abend über Astara ans Kaspische Meer, das 28 m unter Meereshöhe liegt und sehr salzhaltig ist. In dieser Gegend werden Reis, aber auch Baumwolle, Kiwi und Citrusfrüchte angebaut. In Bandar Anzali am Meer, legen wir einen Ruhetag ein. Wir stehen völlig unbehelligt an der örtlichen Mole - zwar liegen vor dem Ort unzählige Komplexe mit Badeanlagen, die sind aber alle, sofern noch in Betrieb und nicht schon verlottert, noch geschlossen. Die Sonne hat Mühe, die Hochnebelschicht zu durchdringen, und erst ab Mittag können wir blauen Himmel und Wärme (25o C) geniessen.

Ueber Lahijan, wo Schwarztee angebaut wird, mit seinem über der Stadt gelegenen schönen Aussichtspunkt fahren wir gemächlich der Küste entlang. Auf den gefluteten Reisfeldern, die in der Sonne dampfen, wird jetzt überall gearbeitet. Die Männer beackern den Boden, das mühsame Aussetzen der Reiskeimlinge ist Sache der Frauen.
Ab Ramsar, wo die einstige Shâh-Ferienresidenz in ein imposantes Hotel umgenutzt wurde, verdichtet sich die Bebauung. Jedes Grundstück ist eingezäunt, obwohl das Ufer nicht speziell schön und meist voller Steine und Felsbrocken ist. Es gibt in Chalus oder Now Shar mehr Palmen als Zugänge zum Wasser. Mit viel Glück finden wir bei einem Neubau eine Lückezum Uebernachten, und wir wundern uns, was denn überhaupt all die Feriengäste hier während ihrer Aufenthalte im Sommer machen, da kein Strand vorhanden ist.

Dass die geplante Autobahn vom Kaspischen Meer in die Hauptstadt noch nie verwirklicht worden ist, erstaunt uns bei den topografischen Verhältnissen nicht. Bevor das ursprünglich enge Tal zur Schlucht wird, macht Fredy noch unsern verdreckten Camper stadtfein. Die Strasse schraubt sich über unzählige Kurven stetig in die Höhe bis auf 2'700 m. Wir möchten uns das Teheraner Skigebiet ansehen, aber bei den Skiliften von Dizin ist das Glück resp. die Strasse zu Ende, und wir müssen auf die Hauptverbindung via Gachsar zurückkehren. Die nackten Gesteinsschichten auf dem letzten Teilstück sind eindrücklich geformt, ragen oftmals senkrecht auf, mal in rötlichem, mal in grünem Material. Obwohl wir den Ort eigentlich umfahren wollten, machen wir auf der erneut komplizierten Suche nach einer Tankstelle mit Diesel unfreiwillig eine Sonderrunde durch Karaj. Dannach finden die unzähligen Kurven ein Ende, dafür setzt dichter Lastwagenverkehr ein.
Wir krönen den Samstag, 1. Mai, mit unserer Einfahrt in die Hauptstadt Teheran. In einem ruhigen Quartier unweit des Azadi Squares übernachten wir am Strassenrand. Die Anwohner sind auch da um uns besorgt, offerieren Hilfe, die Benützung Ihrer Toilette oder Dusche, bringen gewürzten Drink-Joghurt zur Stärkung und am Morgen frisches Fladenbrot.
Am Sonntag dann machen wir unsere ersten Fahrten und Schritte und versuchen, uns zu informieren und in dieser Riesenstadt zurechtzufinden.

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